• Schreiben Sie uns!
  • Seite empfehlen
  • Druckansicht

Katrin Graf, Bildnisse schreibender Frauen im Mittelalter, 9. bis Anfang 13. Jahrhundert, Schwabe und Co, Basel 2002, 298 Seiten und Abb.

Katrin Graf bewegt sich mit der überarbeiteten Fassung ihrer Genfer Dissertation zu den „Bildnissen schreibender Frauen im Mittelalter“, in der sie auf der Basis von handschriftlichen Bilddokumenten des 9. bis 13. Jahrhunderts die Teilnahme von Frauen an der Buch- und Literaturproduktion im Früh- und Hochmittelalter in den Blick rücken will, im Schnittpunkt neuerer mediävistischer kulturwissenschaftlicher Diskussionen im Umkreis von Frauenforschung und Mediengeschichte, von Geschlechtertheorie und Autorschaftskonzepten.

Ausgehend von dem Befund, dass sich bis ins 13. Jahrhundert in illuminierten Handschriften kein Bild findet, das geistliche Frauen beim Schreiben oder Kopieren eines Codex zeigt, während etwa eine weltliche Autorin wie Marie de France in Sammelhandschriften des 13. Jahrhunderts (Paris, Bibliothèque de l’Arsenal 3142, fol. 256r; 273r; BN fr. 2173, fol. 93r) sehr wohl als gelehrte Schreiberin präsentiert wird, stellt die Verf. in einem ersten Kapitel („Auf der Suche nach dem mittelalterlichen Schreiberinnenbildnis“, S. 17–82) eine umfassende Sammlung von Bildern mit im weitesten Sinne schreibenden bzw. an der Buchherstellung beteiligten Frauen zusammen, um sie einer kritischen Analyse hinsichtlich ihrer Aussagekraft für die Bedeutung weiblicher Buchurheberschaft zu unterziehen. Mit dieser Spurensuche nach weiblicher Beteiligung am Literaturbetrieb ist zugleich – wie in den 80er Jahren, der ersten Phase der fachwissenschaftlichen Frauenforschung – eine „Korrektur des herrschenden Blicks“ (S. 81) verbunden, der bislang in den dargestellten Frauen weniger die Urheberinnen des Buches gesehen, sie vielmehr eher auf ihre Rolle als Buchempfängerinnen oder Zuhörerinnen festgelegt hat.

Die Verf. hingegen legt – unter den Überschriften „Schreiberinnen oder Autorinnen?“ (S. 24–37), „Empfängerinnen oder Stifterinnen?“ (S. 38–58), „Selbstbildnisse von Buchherstellerinnen“ (S. 59–80) – an einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Bilder in geistlichen Handschriften des 9. bis 13. Jahrhunderts in ikonographischen Vergleichen unerbittlich Schichten eines Bildverständnisses frei, das auf den Anteil von Frauen an der Buchentstehung zielt: so etwa ihre Analyse der Frauenfiguren auf dem Hieronymus-Frontispiz der Bilderbibel Karls des Kahlen (845/846) aus St. Martin in Tours (Paris BN lat. 1, fol. 3v), in der sie in der Darstellung des Zusammenwirkens von Hieronymus, Paula und Eustochium eine im Vergleich zu anderen Bildern „komplexe Inszenierung von Buchurheberschaft“ (S. 25) sieht, oder in dem Eingangsbild der Reimser Bibel von 870 (Rom, San Paolo fuori le mura, fol. 3v), in der sie in der Darstellung Paulas mit einem offenen Buch im Schoß die Präsentation einer geistlich inspirierten Autorin, d. h. in dem Titelbild nicht ein Autorbild des Hieronymus, sondern eher ein Autorbild der Paula sieht.

Seiten 431 - 434

DOI: https://doi.org/10.37307/j.1868-7806.2004.03.14
Lizenz: ESV-Lizenz
ISSN: 1868-7806
Ausgabe / Jahr: 3 / 2004
Veröffentlicht: 2004-07-01
Dieses Dokument ist hier bestellbar:
Dokument Katrin Graf, Bildnisse schreibender Frauen im Mittelalter, 9. bis Anfang 13. Jahrhundert, Schwabe und Co, Basel 2002, 298 Seiten und Abb.