Inhalt der Ausgabe 03/2019
Inhalt
Aufsätze
Ausgehend von der Erwähnung Bischof Gunthers von Bamberg in der ersten Zeile des Vorauer „Ezzolieds“ fragt der Beitrag – unter anderem am Beispiel der zahlreichen Erwähnungen des Landgrafen Hermann von Thüringen in der mhd. Literatur – nach dem Vorkommen und den Funktionen von Gönnernennungen in deutschsprachigen Werken des 12. und 13. Jahrhunderts. Zugleich werden Aufgaben und Arbeitsfelder zukünftiger Gönnerforschung benannt.
Die Studie fächert das bislang kaum beachtete semantische Spektrum von mhd. friunt im Minnesang von den Vorstellungen ‚Geliebter‘ bis ‚werbender Verehrer‘ sowie vom einzelnen Werbenden bis zu einer Mehrzahl von Verehrern auf. Nachgezeichnet werden so Logiken von Integration, in denen der werbende Sänger in den Kreis der Höflinge eingebunden bleibt und sich aus ihm nur graduell abhebt. Minnesang wird als semantische Ressource für höfische Selbstentwürfe aufgefasst, die auch Lizenzbereiche für vertrauliche Kommunikation vorsehen.
Der Beitrag untersucht unter historisch-soziolinguistischen Aspekten die Verteilung von Relativsatzeinleitungen in verschiedenen Textgruppen aus der Stadt Nürnberg sowie ihre Veränderung im Laufe des 16. Jahrhunderts. Zum Korpus zählen Briefe der Kanzlei, deren Sprache als damalige Prestigesprache gilt, private Schriftstücke weiblicher und männlicher Verfasser und Drucke, wie etwa religiöse Erbauungstexte. Der Vergleich der Daten jeder Textgruppe miteinander zeigt, dass die Druckereien im Nürnberg der zweiten Jahrhunderthälfte einen größeren Einfluss auf den Sprachgebrauch der Bürger haben als die Kanzlei.
Die deutschen Sprachdenker des Barock und der Aufklärung beschäftigen sich mit Blick auf die als Germanisch und als Gotisch bezeichneten Sprachen insbesondere mit genealogischen Aspekten, wobei eine enge Verbindung zur deutschen Sprache hergestellt wird und Sprachen aus dem skandinavischen Raum als Ergebnisse von Entwicklungen aus dem Deutschen selbst betrachtet werden. Auf diese Weise wird der deutschen Sprache ein nahezu biblisches Alter und somit ein hoher Grad an semantischer Ursprünglichkeit und epistemischer Eigentlichkeit zugesprochen, der sie im Werturteil über bekannte Kultursprachen wie das Lateinische oder das Französische stellt.
Tagungsberichte
Innocenz III. prägte die Formel: Morimur enim, dum vivimus semper, et tunc tantum desinimus mori cum desinimus vivere (Inno. III., Contempt. mundi 1,24: „Wir sterben nämlich, solange wir leben, und wir hören nur dann auf zu sterben, wenn wir aufhören zu leben.“). In seiner Arbeit über die „Todesbilder im Mittelalter. Fakten und Hinweise in der deutschen Literatur“ stellte Alois Maria Haas 1989 diese Formel in den Kontext der mittelalterlichen Meditation über die Quattuor novissimi, da es weiter heißt: Melius est ergo mori vitae, quam vivere morti; quia nihil est vita mortalis, nisi mors vivens („Denn es ist besser, für das Leben zu sterben, als zu leben für den Tod; denn nichts ist das Leben der Sterblichen, als der lebendige Tod.“).
Die von Julia Frick (Zürich) und Oliver Grütter (Zürich) organisierte Tagung richtete den Fokus auf das rhetorisch-poetische Verfahren der abbreviatio im Sinne eines bewussten Vorgangs der Reduktion und Verdichtung längerer Bezugstexte. Diesem Interesse liegt die Beobachtung zugrunde, dass das Phänomen der Verkürzung nicht nur seit der Antike als Prozess des Ordnens, Klassifizierens und Abstrahierens zum Umgang mit tradierten Wissensbeständen gehört, sondern auch im Mittelalter und der Frühen Neuzeit zu den elementaren Möglichkeiten der literarischen Produktion zählt.
Die von Patrizia Barton (Tübingen), Friedrich Michael Dimpel (Erlangen/ Darmstadt), Lydia Merten (Köln), Mareike von Müller (Göttingen), Nina Nowakowski (Zürich) und Silvan Wagner (Bayreuth) organisierte und von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderte Tagung nahm vormoderne Kleinepik als prägnantes Erzählen perspektiven- und facettenreich in den Blick und erprobte dabei die Tragfähigkeit des oft recht vage und plural gebrauchten Prägnanzbegriffs.
Buchbesprechungen
Wenn Cordula Kropik sich in ihrer Habilitationsschrift den höfischen Roman vornimmt, über den, wie sie selbst sagt, „in gewisser Weise schon alles gesagt zu sein schien“, klingt das zunächst nicht besonders spektakulär. Doch stellt sie sich mit ihrer Grundprämisse der ‚Geschlossenheit‘ mittelalterlicher literarischer Werke gegen das Gros der aktuellen altgermanistischen Forschung – und man ist gespannt zu erfahren, welche Argumente sie vorbringt.
Ein häufig zu lesender Gemeinplatz der Abenteuer-Forschung besteht darin, Herders Forderung nach einer philosophischen Geschichte des Abenteuers zu zitieren und gleichzeitig insofern zu verwerfen, als man betont, dass ebendieses Projekt kaum geleistet werden könne: zu groß, zu unübersichtlich, zu divers sei die Beschäftigung mit dem Abenteuer. Giorgio Agamben hat nun einen (eigenständig publizierten) Essay über das Abenteuer verfasst, der Herders Topos gerade nicht anführt, wohl aber Leitlinien skizziert, in denen ein philosophischer Abriss des Abenteuers verortet werden kann.
Die hier anzuzeigende zweisprachige Edition von dezidiert weltlichen mittelniederländischen Spielen aus dem frühen 15. Jahrhundert rechtfertigt ihre Entstehung letztlich aus sich selbst heraus – eben aus dem Umstand, dass die in ihr abgedruckten Theaterstücke nicht anlässlich eines geistlichen Ereignisses verfasst sind und damit ausgesprochen frühe Einblicke in die nicht-kirchliche Theaterkultur des Spätmittelalters bieten.
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