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Das Individuum

Die Einhaltung des mit staatlichen Sanktionen bewehrten Rechts ist die Mindestanforderung an die Compliance. Die Einhaltung bzw. Nichteinhaltung des Rechts geschieht nicht durch Gruppen oder Institutionen, sondern durch Menschen. Entsprechend hat die Compliance ihren Ausgangs- und Endpunkt immer beim einzelnen Menschen, beim einzelnen Mitarbeiter. Aspekte wie Gruppen oder Abteilungen, Betriebsstandorte und Unternehmen geraten dann in den Fokus, wenn Compliance unwirksam ist. Dabei zieht der Einzelne die Gruppe bzw. die Organisation gerne als Argument für sein individuelles Fehlverhalten heran. Dann war Verhalten „so üblich“, der „Druck“ sich anzupassen wurde erhöht oder die Vorgaben der „Leitung“ waren mit redlichen Mitteln nicht zu erfüllen. Dabei ist und bleibt der Einzelne in der Verantwortung richtig oder falsch zu handeln. In den wenigsten Fällen sind Compliance-Verstöße auf Unkenntnis zurückzuführen.
Dennoch spielt das Individuum in den Darstellungen der Compliance kaum eine Rolle. Dies wäre dann nachvollziehbar, wenn der überholte Ansatz des Scientific Management seine Berechtigung hätte und der homo oeconomicus exakt zugewiesene Aufgaben ausführt, streng überwacht vom Management. Der homo sociologicus ist dagegen ein Akteur, der sein Handeln an den Normen seiner Bezugsgruppe orientiert. Beide müssen ihr Handeln nicht rechtfertigen, erster nicht, weil er seinen individuellen Präferenzen folgt, zweiter nicht, weil er der vorgegebenen sozialen Rolle folgt. Eine pragmatische Sichtweise entwickelt den homo culturalis, der sein Handeln sowohl gegenüber sich selber, als auch gegenüber anderen zu rechtfertigen hat. Dieser Mensch steht im Mittelpunkt des weiteren Buchabschnitts.

Seiten 39 - 103

Dokument Das Individuum