Inhalt der Ausgabe 02/2011
Inhalt
Aufsätze
Ausgehend von Hartleys monistischer Assoziationstheorie verfolge ich Spuren eines schreibproduktiven Konzepts bei Jean Paul und Lichtenberg, das auf Assoziationen fußt und gleichzeitig die ‚Entdeckung des Gehirns‘ Ende des achtzehnten Jahrhunderts einbezieht. Jean Paul wird, pointiert, als Schreibnovize Lichtenbergs präsentiert. Bei Ersterem stehen die Exzerpte und ‚Arbeitsblätter‘ zum „Hesperus“ sowie die autobiographischen ‚Nebentexte‘, besonders das „Vita-Buch“, im Mittelpunkt der Manuskriptanalyse, bei Letzterem der sogenannte Blumenbach-Brief. Analog zu Hypothesen der Schreibforschung werden emotionale und autobiographische ‚Rahmungen‘ der Ideengenese beim Schreiben in die Untersuchung einbezogen.
Kafkas Erzählung berichtet von Josef K., der nur zögernd in das Grab steigt, welches der Künstler für ihn bereitet hat. K. lernt zu verstehen, dass Schrift ein Mittel ist, in den Tod einzutreten und sich von der Last der empirischen Existenz zu befreien. Das Thema lässt sich schon in Kafkas frühen Schriften verfolgen. Die Pointe der Erzählung ist aber, dass K. seinen Tod nur träumte und also weiterlebt. Der Text stellt der Notwendigkeit zu sterben den Lebenswillen entgegen und lotet auf diese Weise die Methode und Grenzen der Literatur aus.
Der Aufsatz analysiert vier bimediale Skizzen, die für den Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ auf mehreren Ebenen wichtige Funktionen erfüllen. Von Interesse sind sie nicht nur für die Textgenese; im Fokus stehen hier vielmehr die Fragen, wie Verbales und Visuelles in Musils Arbeitsweise zusammenspielen und inwiefern nicht-skripturale Notate im Textuellen aufgehen oder eine eigene Dynamik entwickeln. Die Analyse versucht an diesem Beispiel vorzuführen, dass und in welcher Weise graphische Elemente im Umfeld literarischer Texte entscheidende literarischkünstlerische und epistemische Leistungen erbringen.
Dass Ernst Jünger Insekten gesammelt und Zoologie studiert hat, ist allgemein bekannt, doch wurden die soziologischen und epistemologischen Implikationen seines entomologischen Wissens bislang nicht ernst genommen. Der Aufsatz führt anhand der „Gläsernen Bienen“ exemplarisch vor, dass insbesondere die ‚sozialen Insekten‘ keineswegs nur als Metapher genutzt werden, sondern ein Wissensfeld darstellen, in dem Jünger zentrale Fragen seiner Gegenwartsdiagnostik verhandeln kann. Entgegen der landläufigen Meinung, Jünger sei Platoniker, wird zu zeigen sein, dass ihn die sozialen Insekten zu einer kybernetischen und soziobiologischen Heuristik hinführen, deren Paten nicht Platon oder Herodot, sondern Wiener und Wheeler heißen.
Der Aufsatz verfolgt einige Strategien der Lyrik Thomas Klings, durch die eine instrumentelle Technizität in die komplexe Dynamik der textuellen Konstellationen übersetzt wird. Hierbei werden vor allem visuelle Momente und bildgebende Verfahren dieser Lyrik thematisiert, ferner ihr Verhältnis mit der textuellen Verräumlichung und Synchronisation, die als lyrikspezifisch erachtet werden. Methodologisch geht es darum, die mediale Paradigmatik mit einem literarischen Lektüreinteresse zu verbinden; aus historischer Sicht diese Befunde in eine poetologische Charakteristik gegenwärtiger lyrischer Schreibweisen einzubinden.
Buchbesprechungen
Schon wieder eine Geschichte der deutschen Barockliteratur, könnte man sich wundern. Das vorliegende Buch imponiert jedoch, und nicht nur durch seinen Umfang. Es ist keine Einführung für Anfänger bzw. interessierte Laien, geschweige denn ein Lehrbuch (wie etwa Dirk Niefangers „Barock“, sondern es wurde ausdrücklich als Summe konzipiert, welche die größtmögliche Vollständigkeit anstrebt.
Dass Fiktionen Wirkungen erzeugen können, ist seit der Antike ein Thema für poetologische und ästhetische Reflexionen, die traditionellerweise ihren Ausgangspunkt bei der dramatischen Gattung der Tragödie nehmen. Dass derart erzeugte Wirkungen in ein Spannungsverhältnis oder einen Kontrast zu denjenigen Wirkungen treten können, die ein vergleichbares Geschehen in der Wirklichkeit erzeugen würde, ist ein Unterthema dieser Wirkungsfrage, das im 18. Jahrhundert als Frage nach einer spezifischen Sittlichkeit auf der Bühne diskutiert wurde.
Dass von der Idee eines Menschen im Stand vorkultureller Unschuld eine bleibende Faszination ausgeht, zeigt u.a. die eben in deutscher Übersetzung erschienene Novelle „Das wilde Kind“ von T.C. Boyle. Boyle lässt darin die Geschichte des Findlings Victor von Aveyron, der wie ein Mensch aussieht, sich aber wie ein Tier verhält, als er im Jahr 1797 in Südfrankreich gefunden wird, von einer Taubstummen erzählen.
Die Pläne, das Bundesbuch des Göttinger Hains zu publizieren, sind so alt wie die Dichtervereinigung selbst. 1774 planten die Hainbündler eine Herausgabe: Friedrich Gottlieb Klopstock wollte und sollte eine Vorrede beisteuern, verwarf aber kurze Zeit später das Projekt in toto.
Eine 600seitige Monografie zum deutschen Realismus, das hat es wohl nicht mehr gegeben, seit Hans Vilmar Geppert Mitte der Neunziger seine Thesen zum realistischen Weg vorlegte. Bereits ein kursorischer Blick zeigt allerdings, dass sich der enzyklopädische Anspruch dieser Bielefelder Dissertation weniger auf die Literatur des Poetischen Realismus selbst richtet – erst im allerletzten Abschnitt werden ein paar Novellen von Storm, Raabe und Fontane näher untersucht.
Als Walter Benjamins „Einbahnstraße“ 1928 erscheint, wird sie vielfach, aber nicht unbedingt positiv rezensiert. Vor allem jene im Kreis der Freunde und Bekannten, die in ähnliche Projekte verwickelt sind, äußern sich durchaus kritisch. Während Ernst Blochs Rezension der „Einbahnstraße“ Verstimmungen provoziert, weiß Siegfried Kracauer, der als Redakteur der „Frankfurter Zeitung“ bereits einige Stücke der „Einbahnstraße“ abgedruckt hatte, die scharfe Kritik am Buch in einer Doppelrezension durch sein ausführliches Lob für Benjamins zeitgleich erschienenen Band „Ursprung des deutschen Trauerspiels“ zu kompensieren.
Zu berichten ist von einem Editionsprojekt unter dem Namen „Kritische Robert Walser-Ausgabe“ (KWA). Es handelt sich um die „Kritische Edition sämtlicher Drucke und Manuskripte“, die als Koproduktion der Verlage Stroemfeld und Schwabe erscheint. Im Auftrag der „Stiftung für eine kritische Robert Walser- Ausgabe“ wird sie von Wolfram Groddeck und Barbara von Reibnitz herausgegeben.
In seiner beeindruckend umfangreichen Habilitationsarbeit über das deutsche Drama der Nachkriegszeit geht Wolf Gerhard Schmidt das grundlegende Vorurteil der Literaturgeschichtsschreibung an, dass „die deutsche Nachkriegszeit in entsprechenden Studien peripher behandelt und/oder ästhetisch denunziert wird.“
Call For Papers
Liste eingesandter Bücher
Jetzt bestellen – für den gesamten Campus.