Inhalt der Ausgabe 06/1985
Inaltsverzeichnis
Aufsätze
Neben die akzeptierte Notwendigkeit der Markierung von Methodiken für die optimale Aneignung einer Einzelsprache im Rahmen eines konkreten Bedingungsgefüges sowie übergreifender Erkenntnisse fremdsprachendidaktischer Art treten gegenwärtig verstärkt begründete Auffassungen über die Zweckmäßigkeit der Erarbeitung von Prinzipien einer Theorie, die sich eigens den Prozessen des Spracherwerbs – insonderheit des Fremdsprachenerwerbs (L2-Erwerb) – zuwendet.
Seit etwa 1974 wendet sich die Psycholinguistik verstärkt der Verarbeitung von Texten zu. Sie versucht, Textrezeptions- und Textproduktionsmodelle aus ihrer Sicht zu entwickeln. Die Textverarbeitung aus psychologischer Sicht wurde bisher fast ausschließlich an Geschichten (Erzähltexten) untersucht. Geschichten sind ein interessanter Texttyp, und sicher lassen sich viele generelle Verarbeitungsprozesse für Informationen aus ihnen ohne weiteres ableiten. Wir sind aber der Meinung, daß beschreibende, Prozesse darstellende, argumentierende Texte u. a. ebenso wichtig sind, wenn es um die Erforschung von Gesetzmäßigkeiten des Lernens aus Texten für Bildungs- und Ausbildungszwecke von Lernenden geht.
Die mit entpräfigierten Verben treten dem Deutsch lernenden Ausländer als eine in spezifischer Weise durch ein formal gleichartiges Element der Wortbildung geprägte Gruppe von Verben entgegen, deren Rolle um so größer ist, da ihre Partizipformen wie auch die substantivischen Ableitungen (oft über -ung) relativ häufig auftreten. Schon ein flüchtiger Vergleich von Wörterbucheintragungen zeigt, daß die ent-Verben in den gewählten Vergleichssprachen unterschiedliche Äquivalente haben, also nicht in gleicher Art und Weise geprägt sind wie die deutsche Gruppe (vgl. unten).
Unter Univerbierung wollen wir hier nicht nur die Komprimierung von Mehrwortbenennungen (MWB) zu Einwortbenennungen (EWB) verstehen, sondern auch den kondensierten sprachlichen Ausdruck von komplexen begrifflichen Inhalten in Form von Einwortlexemen, die sich durch Wortgruppen ohne Benennungsstatus umschreiben lassen; Univerbierung ist also als eine Erscheinung der Sprachökonomie aufzufassen. Bekanntlich äußert sich aber Sprachökonomie nicht nur quantitativ in der Einsparung von formalen Elementen, sondern auch qualitativ in der Genauigkeit des sprachlichen Ausdrucks. Da eine ideale Benennung praktisch nicht realisierbar ist, hängt es jeweils von den Kommunikationsbedingungen ab, welche Form als ökonomischer zu gelten hat – die informationsreichere oder die kürzere.
Das Phänomen sprachlicher Fehler ist und bleibt eine unerschöpfliche Fundgrube für Bestandsaufnahmen der Methodik und Praxis des Fremdsprachenunterrichts (FU) und damit zusammenhängender Disziplinen. Das muß betont werden, weil sich in der letzten Zeit einiges im Lehrer-Schüler-Verhältnis gerade im Zusammenhang mit den Fehlern geändert hat. Dem kommunikativ orientierten Ziel des FU entsprechend, verhält sich der Lehrer in der Unterrichtssituation zu den sprachlichen Fehlern der Lernenden toleranter als früher. Die Toleranz des Lehrers ist durch die gesellschaftliche Entwicklung notwendig geworden, was aber keinesfalls Verzicht auf wissenschaftlich fundierte Fehleranalysen bedeuten kann.
Die linguo-stilistische Interpretation eines künstlerischen Textes tritt im Unterrichtsprozeß besonders für Fortgeschrittene in den höheren 'Semestern an den Fremdsprachenfakultäten als Mittel zur Aktivierung der Denk- und Sprechtätigkeit der Lehrerstudenten auf. Das Spezifische der Lehrbarkeit bei der Entwicklung dieser Art der Sprachtätigkeit wird durch das Unterrichtsobjekt selbst bestimmt: Der Stil eines literarischen Textes ist nicht einfach Ausdruck sprachlicher Tätigkeit schlechthin, sondern vielmehr einer künstlerisch determinierten Sprachtätigkeit, die auf der ästhetischen Widerspiegelung der Wirklichkeit beruht.
Ging es uns in unserem ersten Beitrag vor allem darum, die Nutzung besonderer Leistungen sprachlicher Kunstwerke (Persönlichkeitsformung, Kenntniserwerb und Könnensentwicklung) im FU zu begründen, wenden wir uns im nachfolgenden methodischen Fragen beim Einsatz von Kurzprosatexten in Weiterbildungskursen für ausländische Germanisten und Deutschlehrer zu.
Fremdsprachenmethodiker beschäftigen sich wieder verstärkt mit den Ausgangsgrößen für die Planung von Aufgabenfolgen, mit der Gestaltung von Aufgabenstellungen, mit den Proportionen zwischen tätigkeits- und systemorientierten Aufgaben, mit Aufgabenmodellen. Wir greifen aus der vorliegenden Literatur einen Gedanken heraus, der uns für die Gestaltung des Spracherwerbsprozesses von besonderer Wichtigkeit zu sein scheint: Es geht um den Bezugspunkt für die zweckdienliche Auswahl von Lernaufgaben und deren Anordnung zu einer "harmonischen" Aufgabenfolge.
Berichte und Besprechungen
Am Kongreß nahmen über 1200 Vertreter aus über 60 Ländern aller Kontinente teil, die in 36 Sektionen arbeiteten und folgende Hauptprobleme diskutierten: Sprachprobleme in Entwicklungsländern, Soziolinguistik, Psycholinguistik, Sprachlernen und -lehren, Kommunikation und Interaktion, Logico-Linguistik.
Am 11. und 12. Dezember 1984 veranstalteten die Forschungskollektive "Fachsprachen" und "Fachsprachen des Englischen" der Sektion Fremdsprachen an der Karl-Marx-Universität Leipzig eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema "Fachsprachliche Textlinguistik". Insgesamt wurden 38 Vorträge gehalten, neun davon im Plenum, die anderen in den beiden Arbeitssektionen. Während sich die eine Arbeitsgruppe auf die Beschreibung von Fachtextsorten konzentrierte, verfolgten die Teilnehmer der anderen das Ziel, die Kommunikationsverfahren als ein wichtiges Differenzierungskriterium von Fachtextsorten zu untersuchen.
Einmal jährlich veranstaltet die Bilaterale Germanistenkommission DDR- UdSSR (Vorsitzende: Prof. G. V. Kolšanskij, Moskau; Prof. W. Fleischer, Leipzig) eine Konferenz zu sprach- oder literaturwissenschaftlichen, methodischen oder Iandeskundlichen Fragestellungen. Am 23. und 24. Oktober 1984 fand in diesem Rahmen in Kiew eine Tagung zu Problemen der Textlinguistik statt. Die Themenwahl "Aktuelle Probleme der Textlinguistik - theoretische Ansätze und methodisch-empirische Möglichkeiten" erwies sich als günstig; die Palette der Vorträge und das Herangehen und Bewältigen des Rahmenthemas waren breit gefächert.
Am 27. und 28. September 1984 fand in Warschau in den Räumen des Deutschlektorats eine Konferenz für Nachwuchswissenschaftler zum Thema "Methodik Deutsch als Fremdsprache" statt, die vom Kultur- und Informationszentrum der DDR in Warschau organisiert worden war. Wissenschaftliche Treffen von Nachwuchswissenschaftlern der DDR und der VR Polen wurden schon zur Tradition, neu war an dieser Konferenz die Problematik. Die bisherigen Tagungen der jungen Germanisten aus der DDR und der VRP waren entweder sprachwissenschaftlichen oder literaturwissenschaftlichen Fragen gewidmet, für diese Konferenz war ein sehr allgemein formuliertes Thema vorgegeben. Die Referenten konzentrierten sich vor allem auf den Hochschul-FU unter besonderer Berücksichtigung des Deutschunterrichts im Fachstudium der Germanistik.
Fehleranalytische Untersuchungen bzw. Analysen zum interimsprachlichen Verhalten im Bereich Deutsch als Fremdsprache sind selten. Um so mehr verdient deshalb eine Arbeit unsere Aufmerksamkeit, die sich ausführlich mit dem Erwerb des deutschen Kasussystems auf der Grundlage des Niederländischen als L1 befaßt. Um es gleich zu sagen: Jordens' Nimwegener Dissertation stellt nicht den vollständigen psycholinguistischen Prozeß des native-nahen Erwerbs des deutschen Kasussystems dar, sondern nur eine interimsprachliche Phase, in der das niederländische System der Codierung grammatischer Relationen noch ganz auf das Deutsche durchschlägt und die dem Deutschlehrer in den Niederlanden schwer zu schaffen macht.
Nach seinen Arbeiten über "Verbinhalt und semantische Merkmale" und "Dativ und Pertinenzrelation" legt K. nun eine außerordentlich interessante und ergebnisreiche Monographie zu den Verben der menschlichen Körperteilbewegung vor, die in 11 Kapitel gegliedert ist (wobei 10. eine Zusammenfassung der Ergebnisse und 11. das Literaturverzeichnis enthält). In seinen einleitenden Bemerkungen (1.) verdeutlicht er den theoretisch-methodologischen Rahmen der Arbeit (angesichts der Divergenz zwischen praxisferner Theorie und konzeptslosem Empirismus entscheidet er sich für einen "forschungspragmatischen Kompromiß" und eine Art "Methodenpluralismus''), den Gegenstand und das Korpus der Untersuchung (etwa 150 Verben der menschlichen Körperteilbewegung) sowie die Aufgabenstellung.
Im Gegensatz zur 2. Folge des Jahrbuches, das 1983 erschien und der Lutherforschung gewidmet war, hat das vorliegende Heft kein Generalthema. Zwei Aufsätze von Siegfried Streller bzw. Vibeke Winge stellen gewissermaßen noch eine Nachlese zu Luther dar. Literaturwissenschaftliche Aufsätze von Bernd Leistner, Ivar Sagmo und Poul Husum konzentrieren sich auf die Rezeption Schillers bei Schriftstellern der Gegenwart (z. B. Hacks) bzw. der Vergangenheit (Bjørnson) oder im dänischen Schulwesen. Klaus Hermsdorf zieht für den Rezensenten neue und interessante Parallelen zwischen Kafkas Berufsarbeit in einer Versicherung mit ihrer magisch-mystischen Bürokratie und seinem Werk. Tarmo Kunnas vergleicht Thomas Mann und Knut Hamsun, wobei er von Finnland den Nobelpreisträger F. E. Sillanpää außerdem hätte heranziehen können.
Diese Publikation behandelt zwanzig bewußte und teilweise unbewußte Motive eines Autors, die bei der Formulierung eines Sachtextes informativen Charakters wirksam sind. Die Schrift kann als ein Beitrag zu dem Versuch angesehen werden, die durch objektiv-linguistische Methoden zur unbefriedigend erfaßbaren Formen eines Textes, die in der Literatur bisher als Individualstil beschrieben wurden, genauer zu ermitteln und zu verallgemeinern. Sie ist als populärwissenschaftliche Arbeit zu bezeichnen. Die Abhandlungen entbehren einer strengen, widerspruchsfreien inneren Systematik, die verwendeten Termini sind vielfach unzureichend definiert und keinem bestimmten linguistischen Konzept verpflichtet.
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